Meine persönliche Verehrung für Albert Einsteins klugen (Wort-)Witz und seine tiefe Menschenkenntnis, kann ich sicherlich kaum verheelen. So gehört diese dritte Grundannahme auch zu der für mich am schwersten zu akzeptierenden in meinem Coaching-Ansatz, bin ich doch empirisch-wissenschaftlich gebildet und ausgebildet worden.
Einstein sagte zum Thema Problem und Lösung: „Das Problem zu erkennen, ist wichtiger, als die Lösung zu erkennen, denn die genaue Darstellung des Problems führt zur Lösung.“
Hierin spiegelt sich Einsteins Überzeugung, dass die Lösung immer bereits Teil des Problems ist und somit in der exakten Darstellung des Problems gefunden werden kann.
Wie kann ich diese zwei widerstrebenden Perspektiven vereinen?
Im Grunde ganz einfach: Wenn Einstein – der Erfinder der Relativitätstheorie und damit der Begründer unseres derzeit immer noch geltenden Ansatzes über die Entstehung der Welt und ihrer darin fußenden Erdentwicklungsgeschichte (Evolution in Folge des Urknalls) sagen kann: „Wissenschaft ohne Religion ist lahm, Religion ohne Wissenschaft ist blind.“
Kann ich auch gleichzeitig empirisch-wissenschaftlich denken... (gemäß der These: Die Lösung eines Problems liegt in seiner exakten Beschreibung – denn jedes Problem enthält bereits seine Lösung. Wer also in der Lage ist, sein Problem exakt zu beschreiben, ist auch in der Lage, seine Lösung bzw. seinen Lösungsweg zu finden) ... und in meinen Coachings eine systemische Grundhaltung einnehmen (der kühnen These folgend, dass Problem und Lösung nichts miteinander zu tun haben!)? – Wie das?
So gut es denkbar ist, dass der Urknall in einem Fischglas auf Gottes Schreibtisch geschehen ist – zu seiner Erbauung (so wie wir vielleicht einen Goldfisch betrachten) und weil Gott vielleicht auch einfach nur im wissenschaftlichen Sinne neugierig war, so gut ist es auch möglich, ein Problem wissenschaftlich exakt zu beschreiben und im zwischenmenschlichen Kontext dennoch auch eine vollkommen hiervon unabhängige Lösung zu stoßen, bzw. ist es möglich, dass eben diese hiervon vollkommen unabhängige Lösung die bessere Lösung ist (auch wenn sie rein gar nichts mit der exakten Darstellung des Problems zu tun hat).
Der Kern des Problems im zwischenmenschlichen Kontext ist nämlich zumeist weit weniger wissenschaftlich-empirisch als emotional begründet – und wer würde es für notwendig ansehen, ein emotionales Problem exakt beschrieben haben zu müssen, ehe es einer Lösung zugeführt werden kann?
Ein Kind, das sich bei einem Sturz das Knie aufgeschlagen hat und nun weint, kann ggf. auch über eine wissenschaftliche Abhandlung zum Thema Schmerz, Scherzrezeption und -perzeption, Schmerzweiterleitung und Re-Evaluierung getröstet werden – aber der einfachere und viel schnellere Weg ist: In den Arm nehmen und pusten – ganz ohne das Problem in all seinen Einzelheiten empirisch-wissenschaftlich beschrieben zu haben wird es hier emotional gelöst.
Einstein war Systemiker: „Wir können der Tatsache nicht ausweichen, dass jede einzelne Handlung, die wir tun, ihre Auswirkung auf das Ganze hat.“
Einstein war gläubig – auf seine Weise: „Ich spreche mit jedem gleich, egal ob es sich um den Müllmann oder den Präsident der Universität handelt.“
Na, wenn das nicht eine wahrhaft christliche Haltung ist, die Einstein (ein Jude) hier formuliert. – Wie nahe die großen Religionen der Welt im Kern einander sind, wenn es um die wichtigen und manchmal auch, wenn es um die alltäglichen Dinge geht!
Und allein das, dass Einstein diese – christliche (die man auch als zumindest humanistisch-ethisch charakterisieren könnte – was dann aber meine Argumentation obsolet machen würde) Haltung im Leben vertritt – einer der größten Naturwissenschaftler, die jemals gelebt haben –, ist revolutionär und im Kern schon fast absurd, gleichzeitig aber einfach menschlich, warm und schön.
„Freude an der Freude und Leid am Leid des Anderen, das sind die besten Antriebe des Menschen.“
und „Die wichtigste Erkenntnis meines Lebens ist die, dass wir in einem liebenden Universum leben.“
Warum bin ich ein Einstein-Fan und glühende Verehrerin nicht nur seiner wissenschaftlichen Thesen?
Einsteins Formulierungen – und ich meine hier nicht nur die Brillianz, die in der Einfachheit, Kürze und (im wissenschaftlichen Sinne gar) Schönheit seiner Formel: E = mc^2, sondern insbesondere seine Worte an Menschen, zu Menschen und über die Menschheit stammen für mich von einem Mann, der die Welt verstanden hat. Von innersten Kern bis hin zu den (Un-)Tiefen der menschlichen Seele.
Das macht ihn für mich so überaus bedeutsam: Er war nicht nur ein „Elfenbeintürmler“, das nicht mehr in der Lage war, in Kontakt zu treten. Ganz im Gegenteil: Einstein war ein Kenner und Erkenner der menschlichen Seele, von dem sich so mancher Psychiater, Psychologe und Psychotherapeut auch heute noch eine ganze Scheibe abschneiden könnte.
Kurz gesagt: Einstein hat die Welt verstanden. Und das nicht nur theoretisch, auf dem Papier – ausgedrückt in einer irgendwie gearteten wissenschaftlichen Formel. Einstein hat verstanden, worauf es im Leben ankommt. Nämlich auf das Miteinander! Auf das „Füreinander-Dasein“. Ein glückliches Leben wird hierdurch – auch meiner Meinung nach – viel mehr geprägt als durch Erfolg (wie ist dieser exakt definiert?), Macht (wozu ist sie am Ende nütze, wenn sie nicht zum Nutzen der Menschheit eingesetzt wird – und ist das das Bild, dass ich der Welt von mir hinterlassen möchte? Dass ich meine Macht nur zu meinem eigenen Nutzen (und am Ende auch noch gegen andere) eingesetzt habe?) oder sogar noch unnützer: Geld? (Geld ist im Grund nichts wert – jede Weltwirtschaftskrise und Währungsreform zeigte dies einmal mehr. Geld ist ein von Menschen erdachtes und gemachtes Konstrukt, um einen Tauschhandel zu normieren und zu standardisieren. Worin liegt also der Wert des Geldes, wenn nicht allein darin, es als Tauschmittel einzusetzen – im besten Fall zum Wohle anderer!
Virtueller und abstrakter kann man sich Humanität kaum denken!
Einstein ist für mich der Inbegriff eines staunenden, gottesfürchtigen, liebenden und liebenswürdigen Genies, das den Kontakt zu sich, zu seiner Welt und zu den Menschen um ihn herum stets suchte und zu finden verstand. Der mehr in der Welt bewirkte, als uns ein Grundverständnis der Mechanik der Welt zu vermitteln, in der wir tagtäglich leben.
Auch ohne Einsteins Relativitätstheorie verstanden zu haben: Äpfel werden vom Baum aus in der Regel „nach unten“ fallen – das Phänomen nennt sich Gravitation und wurde von einem meiner wissenschftlichen Vettern an der University of Oxford entdeckt und vor allen Dingen zum ersten Mal wissenschaftlich beschrieben: Sir Isaac Newton
Einstein als Lebenshilfe?
Unbedingt! Ist Einstein denkbar als einsamer verkalkter alter Mann, der verhärmt und unglücklich ein vollkommen zurückgezogenes Leben führt? Doch nicht wirklich!
Die Unaufgeregtheit, Wahrheit und Zeitlosigkeit von Einsteins Gedanken und Formulierungen machen sie für mich zu einem unschätzbaren Wert.
Und wenn einmal alle Stricke reißen nehme ich (wo ich auch gehe und stehe) gedanklich die Violine meines Großvaters zur Hand und spiele – und sei es auch nur in meinem Kopf – die Melodie, die gerade am besten zu meiner in diesem Augenblick herrschenden Emotion passt.
Es gibt fast nichts Größeres und Schöneres auf der Welt als Musik und Liebe!